«The magic happens
outside of your comfort zone» Barbara Jäggi

Schwellengespräche 6

Dezember 30th, 2016

Wie wir so dastehen –  die Königin der Nacht, die Angst, die Zweifel, die Sorgen, die Verzweiflung und ich – beginnen unsere Körper zu vibrieren und zu leuchten.
Wir SIND die Wabi Sabi Schale! Wir SIND das Lied von Leonard Cohen, Wir SIND das Licht!
Wir sind das Feuer der Erde; wir tragen es mit unserer Seelenglut in unseren Herzen.
Wir sind die Erde; alle Bergketten, alle Wüsten der Welt, alle Täler, alle Wiesen sind in unserem Körper.
Wir sind das Wasser; wir sind die Quelle und der erquickende Bach, wir sind der grosse Fluss und das weite Meer. Wir sind das Eis, womit wir die Herzen schmelzen.
Wir sind der Wind; wir sind das sanfte Lüftchen und der heftige Sturm.

Wir sind die Tiere der Welt; alles ist in uns.
Wir sind die Pflanzen der Erde. Sie sind unsere Medizin.
Wir sind die Weisheit der Ahnen, die um die Hamronie des Universums wissen.
Wir sind die Sterne; denn wir sind selbst Sternenstaub.

Hier an diesem Ort beginnt alles zu schimmern, zu funkeln, zu glitzern. Alles ist durchdrungen von diesem feinsten Licht. Selbst unsere Zellen sind durchdrungen von diesem Licht.

Feierlich halten wir uns an den Händen mit Tränen in den Augen – selbst diese schimmern in der Nacht – und beenden dieses Lied.
Noch lange bleiben wir still und andächtig so stehen.
Und mit einem Shalom, Salam und Frieden lösen wir uns aus dem Kreis langsam heraus.

Jetzt gehen wir über die Schwelle in das Neue, gelöst und erwacht und innerlich erhellt.
Shalom, Salam.

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Schwellengespräche 5

Dezember 28th, 2016

Nun, was wird aus dieser Geschichte, wo die Königin der Nacht zusammensteht, Arm in Arm mit der Sorge, der Angst, dem Kritiker, der Verzweiflung und dem Versager? Wie verschmolzen zu einer goldenen japanischen Wabi Sabi-Schale. Alles Brüchige, alles was je in Scherben ging und scheiterte, wird hier in diesem heiligen Moment der stillen Andacht auf dieses neue Licht in der Mitte zu einer einzigartigen Kraft.
Es ist ein heiliger Moment. Weil niemals zuvor all diese verhassten Typen so beieinander standen in Frieden.
Es ist wahrhaft ein Wunder, wenn Angst, Sorge, das eigene Versagen, die innere Verzweiflung und der strenge Kritiker an der Hand genommen werden und sich dann zu dieser Kraft werden.
Wenn der Makel zur Schönheit wird.

Sie hatten sich das erstemal gesehen und standen nun gemeinsam in diesem Kreis um das Licht.
Von nun an würde sich alles verändern.
Nun beginnt die Königin der Nacht zu singen. Aus dieser erfüllten Stille hebt sie an zu einem himmlischen Gesang. Der ganze Raum vibriert, die Schale vibriert. Der Ton schwillt an zu einer unglaublichen Dichte und Fülle, und er schwingt sich in die Höhe. Immer höher bis ins Universum. Es ist als würde die Erde mitschwingen und eben auch alle Planeten und Sterne.
Etwas Wichtiges war geschehen und würde sie für immer verändern.
Es würde sie alle ermutigen, neue Schritte zu wagen, auch wenn sie noch nicht wussten, welche. Aber jeder war erfüllt von diesem Wunsch.
Alles war durchdrungen von diesem Wunsch.
Unsichtbar noch im Erdinnern der dunklen Winternacht – wie Persephone in der Unterwelt –  schlummerte das neue Lied, das sich bald manifestieren würde.

Noch war es nicht Zeit. In den folgenden Nächten, wo die wilde Percht draussen vorbeifegt, erlebten die Gesellen noch weitere Wunder.

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Schwellengespräche 4

Dezember 24th, 2016

Im heiligen Raum der geweihten Rauhnacht:
„Kommt! Heute ist heilig Abend!“ rufe ich allen Dreien zu –  der Angst, der Sorge und dem Kritiker.
Heute scheinen sie mir etwas anders als zuvor. Kann es sein, dass ein festlicher Glanz sie umgibt?
Inmitten des grenzenlosen Raums leuchtet ein Licht. Es ist ein ganz besonderes Licht.
Eines wie ich es noch nie gesehen habe. Es hat ein Leuchten, als würde es zugleich alle Schatten in sich aufnehmen; so eine Tiefe hat das Licht.
Wir alle vier schauen staunend auf diese leuchtende Mitte und wir nähern uns dem Licht.

„Kennt ihr den Caravaggio, den Maler?“ frage ich in die Runde.
Kopfschütteln.
„Ist eh egal, der hat auch das Licht so kunstvoll eingefangen in seinen Bildern.“ meine ich.
Die andern bleiben still. Es gibt ja nicht mehr zu sagen, es macht uns alle andächtig still.
Feierlich gerührt stehen wir da.
Da gesellen sich nun auch die Versagerin und die Verzweiflung hinzu. Der Kreis wird grösser.
Und die Königin der Nacht – herself – kommt in unseren Kreis.
Wir halten uns an den Armen. Arm in Arm stehen wir um das neue Licht und halten es wie eine Schale.
Von aussen scheint das Licht durch die Zwischenräume – goldig warm.
So als bildeten wir zusammen eine einst zerbrochene Schale, die nun sich neu zusammenfügt.
Die Japaner flicken zerbrochene Schalen mit Gold zusammen und geben einer solchen Schale einen viel grösseren Wert,
als die Schale zuvor hatte.
Und dann erklingt ein Lied von Leonard Cohen:
„Und alles ist brüchig, doch da scheint das Licht hindurch…“

Frohe Weihnachten!

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Schwellengespräche 3

Dezember 23rd, 2016

Ich sitze im dunklen und geweihten Raum. Still ist es und weit und tief in mir.
Ich bin so ganz im Zentrum meiner Selbst.
Da kommt ein kleines Wesen herein geschlichen.
Ganz geduckt schleicht es herein. Die Augen sind weit geöffnet und sie schauen in alle Richtungen.

Sofort wird mir ganz eng in meiner Brust, mein Atem geht flacher.
Es wird mir kalt. Wie kann ein so kleines Wesen in kürzester Zeit diesem grossen weiten Raum füllen mit seiner Angst?
„Psst!“ rufe ich sie. Sie ist schreckhaft.
„Ja bitte?“
„Was schleichst du so herum?“
„Ich muss mich still verhalten.“
„Ja, warum denn?“ fragge ich.
„Es könnte mich jemand sehen oder hören.“
„Ich sehe dich.“ sage ich zur Angst.
„Ja, das reicht. Mir ist so eng.“
„Oh ja, ich spüre das. Es erfüllt den ganzen Raum.“
Sie atmet flach und kalte Schweissperlen erscheinen auf ihrer Stirn. Sie fächelt ein wenig, um Luft zu bekommen.
Und steht dann so verklemmt da. Die Schultern hochgezogen.
Mir selber zieht es unweigerlich den Nacken zusammen, nur vom Zusehen.
Ich gehe langsam auf sie zu. „Wovor fürchtest du dich?“ frage ich sie.
„Es könnte etwas passieren.“
„Es passiert andauernd etwas.“
„Ich meine etwas Schlimmes.“
„Was wäre denn schlimm?“
„Ich könnte den Boden unter den Füssen verlieren.“
„Oh, ich verliere andauernd den Boden unter den Füssen.“ entgegne ich versöhnlich.
„Und was machst du dann?“
„Nichts. Ich bleibe stehen und schaue und horche und spüre.“
„Aha.“ Jetzt ist sie interessiert. Aber sogleich verdunkelt sich das kleine Gesichtchen wieder.
„Aber es könnte etwas Schlimmes über mir oder hinter mir hereinbrechen.“
„Ja, was denn?“ frage ich.
„Ich weiss nicht, irgendetwas! Ich fühle mich nie sicher!“
„Ich auch nicht.“
Ich nehme sie langsam an der Hand. „Ich helfe dir.“
Die Hand zittert und ist kalt. Aber dann spürt sie meine Wärme und sie wird entspannter.
Nun redet sie ununterbrochen, in einem unaufhörlichen Redeschwall. Alles will sie mir erzählen; von diesem und von jenem. Sie will völlig mit mir in Beziehung sein. Ich fühle mich etwas überschwemmt von dieser Redewoge.
„Du, hör mal.“ unterbreche ich.
„Ja?“
„Sei mal still und lausche mal in diesen Raum. Was hörst du?“
Angestrengt lauscht sie in den weiten Raum. „Ich höre einen tiefen und einen hohen Ton, weit weg.“
„Interessant. Wollen wir ihn singen?“
„Singen?“ fragt sie unsicher.
„Ja, singen!“ Sie beginnt sich zu konzentrieren und dann findet ein feiner leiser sanfter Ton hinaus aus ihr.

Ich bin berührt. „Ja. Schön. Und der tiefe Ton?“
Wieder lauscht sie in sich hinein und holt dann aus ihren Tiefen einen Ton hervor.
„Oh.“ Ich stimme nun ein in diese zwei Töne. Die Augen der Angst beginnen zu leuchten.
Sie nickt. Gemeinsam lassen wir nun diese hohen und tiefen Töne in den Raum schwingen. Immer mehr Klänge dringen zwischen diesen zwei Tönen hervor. Und es entsteht ein Lied.
Darin beginnt unsere Seele zu tanzen.
Irgendwann verklingt es, langsam nur. Selbst als es still ist, hören wir das Lied noch in uns.

Die Angst schaut nun mit gesenktem Kopf auf sich nieder. „Ich bin noch nicht gut genug darin.“
„Das macht nichts. Ich übe auch immer noch. Komm lass uns eine Tasse Tee trinken zusammen.“
Sie hält sich fest an der warmen Tasse und schlürft ein wenig Tee. Das kommt schon noch, denke ich, dann wird sie sich nicht mehr am Tassenrand festhalten. Dann wird sie ihre Hand öffnen und sie wie eine Schale für die Tasse halten. Sie wird in die Tasse schauen und zusehen, wie sich das gerührte heisse Wasser dreht, bis es still ist.

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Schwellengespräche 2

Dezember 22nd, 2016

Heute bin ich krank. Aber das ist ja auch ein veränderter und erweiterter Bewusstseinszustand. Das sogenannt Schwache wandelt sich in ein subtiles Wahrnehmungsnetz. Genauso ist es mit dieser Schwellenzeit mitten im Winter: feinstes Gewebe von Träumen.
Aber welche?
Ich betrete den heiligen Raum. Die Tore sind offen.
Mein Bauch drückt. Owe! Was tut sich da? Sorge macht sich in mir breit, nimmt Raum ein.
Könnte es etwas Schwerwiegendes sein? Oder ist es nur Stress?
Meine Sorge verdichtet sich zu einer Gestalt: die Sorge leibhaftig betritt den Raum.
Es ist eine weibliche Gestalt. Vor sich hält sie eine alte Kaffeemühle. Sie dreht und dreht den Hebel ohne inne zu halten.
Ihre ganze Aufmerksamkeit ist dieser Kaffeemühle gewidmet. Ihr Gesicht zusammen gezogen zu tiefen Sorgenfalten.

„Was machst du da?“ spreche ich sie an.
„Ich mahle.“
„Was mahlst du?“
„Ich zermahle meine Sorgen.“
„Du mahlst ja die ganze Zeit!“ meine ich.
„Ja, ich habe viele Sorgen.“ sagt sie beschäftigt. “ Ich muss sie ganz fein zermahlen, Wort für Wort.“
„Warum machst du dir Sorgen?“ frage ich.
„Ich mache mir Sorgen um die Kriege in der Welt, um den Hunger in der Welt, um die schwindenden Ressourcen. Um all die unschuldigen Tiere.
Um die Enge, die sich in den Herzen der Menschen verdichtet.“
„He, halt doch mal an!“ sage ich und merke, dass mein drückender Bauch nun nicht mehr relevant ist.
„Warum sollte ich?“
„Halt einfach mal an und schau dich um!“
Die Sorge hält nun inne, doch erstaunt über der Heftigkeit meiner Aufforderung.
Ihr Gesicht ist eng, die Augenbrauen zusammen gekniffen. Sie schaut mich unsicher an.
„Ja, was soll ich denn schauen?“ fragt sie.
„Schau dich um. Schau um dich herum.“
„Da ist nichts.“ sie schaut wie ins Leere.
„Ja, sakra nochmal! Schau halt weiter!“
Da erblickt sie das Fenster. Sie schaut zum Fenster hinaus. Irgendwie muss sie weit hinaus schauen, so scheint mir.
Vielleicht ab der vielen engen Sorgen, denke ich.
„Da ist ja Himmel –  und ein Wald weit draussen.“
„Ja.“ sage ich.“ Und was siehst du noch?“
„Ich sehe schöne Bäume, diese dunkelgrünnen Tannen. Ich erinnere mich an ihren Geruch nach dem Harz. Ich liebe den geruch von Harz.“
„Ja!“ ich werde ganz begeistert.“ Hilf mir beim Schauen der Welt! So wie sie ist, und nicht mehr und nicht weniger.
Hilfst du mir? Ich kann es auch noch nicht so gut.“

Die Sorge nickt. Ihre Gesichszüge erhellen sich. Langsam legt sie ihre Kaffeemühle beiseite und wir steigen in unsere Schuhe und gehen gemeinsam hinaus in die Welt und schauen staunend.

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Schwellengespräche 1

Dezember 21st, 2016

 

21. Dezember – die längste Nacht

In der dunkelsten Zeit mein eigenes Licht erkennen,
Im Rückzug in die Stille Schwellengespräche mit mir führen,
Im „Nicht-nach-aussen-Agieren“ mich selber sehen,
Wohltuende Distanz finden
zu meinen Beziehungsstrickmustern
zu meiner Berufung
zu meiner Alltagswirklichkeit.

Hier in der dunklen Stille
sind meine inneren Schattenfiguren hörbar.
Hier zeigen sie sich.
Ich heisse sie willkommen
in meinem heiligen Raum
und lade sie ein, sich mir zu zeigen.

Da ist er, der Kritiker!
Er ist nicht sichtbar, schwer erkennbar für mich,
aber hörbar in diesem Raum.
Er steht hinter mir und flüstert mir dauernd Worte zu – fast nicht hörbar –
aber nun nicht mehr überhörbar.
„Wie dumm du bist,
wie ungenügend deine Arbeit ist!
Nie ist es gut genug.
Was erlaubst du dir, Frau! Erfolg haben zu wollen!“

„Halt! Ist das nicht überholt und veraltet?“ entgegne ich.
„Heutzutage kann doch jede Frau ihren Erfolg zelebrieren, wie sie will.
Alle Türen und Tore stehen ihr offen.“

„Denkst du!“ sagt der Kritiker, „das ist alles noch im kollektiven Feld da!
Bleib du schön ruhig,
zeige dich nicht zu sehr, du bist es sowieso nicht Wert.“

„Aha.
Du bist es also, „sage ich, „du bist mein Widersacher,
der mich jedesmal zurück pfeift, wenn ich etwas in die Hand nehmen will,
mein Leben gestalten will nach meinen Fähigkeiten.
Du vernichtender Du!
Aber jetzt kenne ich dich!
Es ist ok, dass du da bist:
Aber ich werde meine Schritte dennoch tun.
Und bitte hilf mir doch dabei, wenn du schon da bist.
Aber ohne mich zu vernichten.“

„Gut,“ sagt er, „ich werde dir helfen, klarer zu sehen.“

„Aha, nicht schlecht,“ sage ich.

Die Nebel um mich lichten sich.
Wärme steigt in mir auf.
Ich habe einen Verbündeten gefunden.

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