«The magic happens
outside of your comfort zone» Barbara Jäggi

Verwundbarkeit

April 6th, 2021

Das schamanische Zerstückelungsritual ist aus dem tradierten Wissensstrang der Schamanen. Sie bilden einen wesentlichen Teil der schamanischen Ausbildung.Schamane oder Schamanin werden ist nicht eine Ausbildung, die nach 3 Jahren mit einem Diplom versehen wird. Es ist ein Lebens-Weg und es ist Berufung.In den frühen Jahren meines schamanischen Weges vor rund 25 Jahren habe ich einige Zerstückelungsrituale erfahren. Es waren die Spirits, die mich dahin geführt haben.Im Tiefsten geht es um das Ablegen der Angst – der Angst vor dem Tod. Diese Schwelle muss die Schamanin überschreiten, um Menschen zu helfen. Die Schamanin geht ohne Angst in das Feld der Verletzungen, der Abspaltungen der Seelenanteile. Sie begleitet selbst Menschen über die Schwelle in die andere Dimension.Sie weiss, sie hat es nicht in der Hand, einen Menschen zu retten vor dem Tod. Aber sie kann dem Menschen helfen, seiner Bestimmung zu folgen.

Darum ist es wesentlich und essenziell, dass eine Schamanin nicht aus egoistischen Bedürfnissen heraus andere Menschen begleitet. Sie weiss nie, worin die Lösung liegt.Sie übergibt die Energien an die kosmische Ordnung. Nach vielen Jahren habe ich mich noch einmal bewusst diesem Zerstückelungsprozess hingegeben. Wohin geht es? Wie geht es weiter? Was bindet mich noch an alte Muster der Verletzung oder Verstrickung? Was hindert mich als Frau daran, wirklich meiner Bestimmung zu folgen?

Wir sind zwei Frauen, die sich diesem Ritual hingeben mit unserer Frage nach unserer Essenz.Meine Gefährtin hat eine arabische Berbertrommel. Kaum, dass sie erklingt, macht meine Wahrnehmung einen Sprung in die Wüste. Ich kenne die Wüste seit vielen Jahren. Sie hat mich in die Einfachheit geführt. In dieser Szenerie sitzen wir in der Wüste um ein Feuer herum und wir sitzen im Dunkeln unter dem klaren Sternenhimmel.Dann setzen sich Wüstenfrauen um das Feuer und wir bilden gemeinsam einen Kreis der Frauen. Sie sind alle verhüllt, auch ihr Gesicht ist verhüllt. Doch das, was wahrzunehmen ist unter dieser Verschleierung ist eine geballte Ladung an Kraft. Ich kann erkennen, dass diese Frauen gelernt haben, aus dem Hintergrund heraus ihr wahres Licht zu verbergen. Doch ich spüre ihre geballte Faust darunter, die mir auch Angst macht.Die Trommeln schlagen immer intensiver. Die Frauen schreien ihren Frauenruf in die Nacht hinaus. Dieser hohe, frenetische Ruf.

In mir kommt etwas in Bewegung. Meine Haut ist mir zu eng geworden. Das alte Hautgewand will abgestreift werden. Die kosmische Schlange erwacht in mir und schlängelnd bringt sie meinen ganzen Körper in eine schlängelnde Bewegung. Ein sich hinauswinden aus dem alten Seelenkostüm. Ein Winden und Drehen, das immer intensiver wird. Die Frauen schreien abermals. Die Trommeln schlagen immer intensiver. Es gibt kein Zurück mehr.Dann plötzlich zerspringt die alte Haut. Alles zerberstet in kleinste Teile. Eine gewaltige Kraft wird frei in mir; Feuerfunken und Licht. Und dann erkenne ich mein Licht. Tränen strömen mir aus den Augen. So viel Licht und so viel Energie, und es ist MEINE!
Das ist meine Essenz. Ich erkenne, wie lange mein Weg bis dahin war, all die alten Verletzungen der Frauen abzustreifen, die in mir aus vielen Generationen noch wirkten.So viel Anpassungen und eben auch Verhüllungen, die mich krank gemacht haben. Mich immer wieder geschwächt hatten. Doch mein Körper hat mir gezeigt, dass er es nicht mehr vermag, die alten Anpassungen aufrecht zu erhalten; sei es für Beziehungen, sei es für eine Arbeit. Da ist kein «ich schaffe das schon noch» oder ein «ich halte durch» mehr über meine Grenzen hinaus.Nun spüre ich nur noch dieses Licht und diese Power in mir.

Ich schaue nun in die Runde zu den Frauen. Sie sind nun alle nackt vor dem Feuer.Erneut laufen mir die Tränen herunter, denn ich weiss, dass es die Verletzlichkeit der Frau ist, die keinen Platz hatte. Die Frau als das «schwache» Geschlecht. Es ist unsere Verwundbarkeit, die eben auch unsere Stärke ausmacht. Und ich spüre, dahin geht der Weg, diese Verletzlichkeit wieder zu zeigen. Dort können wir unsere wahren Grenzen erkennen und für sie einstehen. Wir brauchen keine Verhüllungen mehr – Corona mit der kollektiven Verhüllung durch Masken bringt auch dies an die Oberfläche.Keine Rüstungen mehr und keine geballten Fäuste unter der Verhüllung.Es ist unser blosses Sein und Wirken als Frau. Das ist unsere Natur.

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