«The magic happens
outside of your comfort zone»
Schwellengespräche 3
Dezember 23rd, 2016
Ich sitze im dunklen und geweihten Raum. Still ist es und weit und tief in mir.
Ich bin so ganz im Zentrum meiner Selbst.
Da kommt ein kleines Wesen herein geschlichen.
Ganz geduckt schleicht es herein. Die Augen sind weit geöffnet und sie schauen in alle Richtungen.
Sofort wird mir ganz eng in meiner Brust, mein Atem geht flacher.
Es wird mir kalt. Wie kann ein so kleines Wesen in kürzester Zeit diesem grossen weiten Raum füllen mit seiner Angst?
„Psst!“ rufe ich sie. Sie ist schreckhaft.
„Ja bitte?“
„Was schleichst du so herum?“
„Ich muss mich still verhalten.“
„Ja, warum denn?“ fragge ich.
„Es könnte mich jemand sehen oder hören.“
„Ich sehe dich.“ sage ich zur Angst.
„Ja, das reicht. Mir ist so eng.“
„Oh ja, ich spüre das. Es erfüllt den ganzen Raum.“
Sie atmet flach und kalte Schweissperlen erscheinen auf ihrer Stirn. Sie fächelt ein wenig, um Luft zu bekommen.
Und steht dann so verklemmt da. Die Schultern hochgezogen.
Mir selber zieht es unweigerlich den Nacken zusammen, nur vom Zusehen.
Ich gehe langsam auf sie zu. „Wovor fürchtest du dich?“ frage ich sie.
„Es könnte etwas passieren.“
„Es passiert andauernd etwas.“
„Ich meine etwas Schlimmes.“
„Was wäre denn schlimm?“
„Ich könnte den Boden unter den Füssen verlieren.“
„Oh, ich verliere andauernd den Boden unter den Füssen.“ entgegne ich versöhnlich.
„Und was machst du dann?“
„Nichts. Ich bleibe stehen und schaue und horche und spüre.“
„Aha.“ Jetzt ist sie interessiert. Aber sogleich verdunkelt sich das kleine Gesichtchen wieder.
„Aber es könnte etwas Schlimmes über mir oder hinter mir hereinbrechen.“
„Ja, was denn?“ frage ich.
„Ich weiss nicht, irgendetwas! Ich fühle mich nie sicher!“
„Ich auch nicht.“
Ich nehme sie langsam an der Hand. „Ich helfe dir.“
Die Hand zittert und ist kalt. Aber dann spürt sie meine Wärme und sie wird entspannter.
Nun redet sie ununterbrochen, in einem unaufhörlichen Redeschwall. Alles will sie mir erzählen; von diesem und von jenem. Sie will völlig mit mir in Beziehung sein. Ich fühle mich etwas überschwemmt von dieser Redewoge.
„Du, hör mal.“ unterbreche ich.
„Ja?“
„Sei mal still und lausche mal in diesen Raum. Was hörst du?“
Angestrengt lauscht sie in den weiten Raum. „Ich höre einen tiefen und einen hohen Ton, weit weg.“
„Interessant. Wollen wir ihn singen?“
„Singen?“ fragt sie unsicher.
„Ja, singen!“ Sie beginnt sich zu konzentrieren und dann findet ein feiner leiser sanfter Ton hinaus aus ihr.
Ich bin berührt. „Ja. Schön. Und der tiefe Ton?“
Wieder lauscht sie in sich hinein und holt dann aus ihren Tiefen einen Ton hervor.
„Oh.“ Ich stimme nun ein in diese zwei Töne. Die Augen der Angst beginnen zu leuchten.
Sie nickt. Gemeinsam lassen wir nun diese hohen und tiefen Töne in den Raum schwingen. Immer mehr Klänge dringen zwischen diesen zwei Tönen hervor. Und es entsteht ein Lied.
Darin beginnt unsere Seele zu tanzen.
Irgendwann verklingt es, langsam nur. Selbst als es still ist, hören wir das Lied noch in uns.
Die Angst schaut nun mit gesenktem Kopf auf sich nieder. „Ich bin noch nicht gut genug darin.“
„Das macht nichts. Ich übe auch immer noch. Komm lass uns eine Tasse Tee trinken zusammen.“
Sie hält sich fest an der warmen Tasse und schlürft ein wenig Tee. Das kommt schon noch, denke ich, dann wird sie sich nicht mehr am Tassenrand festhalten. Dann wird sie ihre Hand öffnen und sie wie eine Schale für die Tasse halten. Sie wird in die Tasse schauen und zusehen, wie sich das gerührte heisse Wasser dreht, bis es still ist.