«The magic happens
outside of your comfort zone»
O sole mio
Juli 27th, 2020
Es ist ein warmer schwüler Sommerabend. Es ist mein erster Sommer hier in diesem alten geschichtsträchtigen Haus der ehemaligen Spinnerei, die einst für die Arbeiter erbaut wurde.
Ich sitze auf meiner lauschigen Terrasse und geniesse den Sommerabend. Weiter entfernt fahren Züge vorbei, Alltagsgeräusche, Männergespräche, Gartenschläuche zischen, Stimmengemurmel auf nachbarlichen Terrassen.
Doch dann durchbricht eine sanfte Frauenstimme all das Alltägliche. Woher wohl diese liebliche sanfte Stimme kommt? Eine Mutter, die ihr Kind in den Schlaf singt?
Ich beginne hinzuhören und bin ganz innig berührt von diesem lieblichen Gesang, so sanft und weich. Er bricht wieder ab, um dann wieder wie aus dem stillen Ozean aufzutauchen.
Es sind italienische alte Lieder, die von der einstigen Liebe erzählen, die gerade eben wieder erwacht.
Selbst das o sole mio kommt zart daher und mit einer Innigkeit und Intimität, und schwingt sich aus einem des Hausinnern hinaus in die Gärten, als würde es alles befrieden wollen.
Dann erkenne ich, dass es die Stimme der etwa 80-jährigen Italienerin ist. Ich kenne sie schon seit vielen Jahren, höre auf der Strasse manchmal ihre durchdringend laute Stimme, die von einer gewissen Strenge zeugt. Sie putzt viel; Haus, Tür und Vorplatz, und der Garten ist sehr geordnet.
Diese Stimme erstaunt mich nun. Sie ist jung. Und lässt mich erahnen, welche Träume sie nebst dieser Alltagstüchtigkeit sie in sich verbirgt. Ich bin fast etwas beschämt, dass ich nun Zeugin dieses Gesangs werde.
Wie besänftigend Gesang doch sein kann. Natürlich weiss ich das, doch es ist immer und immer wieder ein Zauber, der mich neu erfasst, wenn ich davon berührt werde. Wenn ich diese Echtheit darin spüre.
Wir können Lieder singen in der Gemeinschaft, da darf es auch mal laut und kraftvoll sein.
Das ist ein Stück Kultur und Gemeinschaft.
Wir können Kraftlieder singen, die uns an eine ganz bestimmte Kraft erinnern und uns mit ihr verbinden. Mit der Liebe, mit der Spiritualität, mit „delicious power“, mit Songs aus unserer Jugend, die uns daran erinnern, mit welchem Zeitgeist wir uns verbinden oder uns verbunden haben: dem Schrei-Gesang von Mick Jagger oder der Sanftmut in Cat Stevens Stimme.
Wir können uns in die Natur hinausbegeben und bewusst um ein Lied der Medizin bitten, das die Natur uns schenkt.
Musik ist einfach etwas vom Schönsten und Gegenwärtigsten; unmittelbare Kraft, die von irgendwoher kommt.
Am Besten aus uns heraus.
Oder wir können eben so ganz innig und sanft in uns hineinsingen und unsere Träume wachrufen. Ob sie aus der Vergangenheit kommen oder aus der Gegenwärtigkeit oder in die Zukunft hinein, ist manchmal so völlig egal. Spirit ist überall.