«The magic happens
outside of your comfort zone» Barbara Jäggi

Schwellengespräche 2

Dezember 22nd, 2016

Heute bin ich krank. Aber das ist ja auch ein veränderter und erweiterter Bewusstseinszustand. Das sogenannt Schwache wandelt sich in ein subtiles Wahrnehmungsnetz. Genauso ist es mit dieser Schwellenzeit mitten im Winter: feinstes Gewebe von Träumen.
Aber welche?
Ich betrete den heiligen Raum. Die Tore sind offen.
Mein Bauch drückt. Owe! Was tut sich da? Sorge macht sich in mir breit, nimmt Raum ein.
Könnte es etwas Schwerwiegendes sein? Oder ist es nur Stress?
Meine Sorge verdichtet sich zu einer Gestalt: die Sorge leibhaftig betritt den Raum.
Es ist eine weibliche Gestalt. Vor sich hält sie eine alte Kaffeemühle. Sie dreht und dreht den Hebel ohne inne zu halten.
Ihre ganze Aufmerksamkeit ist dieser Kaffeemühle gewidmet. Ihr Gesicht zusammen gezogen zu tiefen Sorgenfalten.

„Was machst du da?“ spreche ich sie an.
„Ich mahle.“
„Was mahlst du?“
„Ich zermahle meine Sorgen.“
„Du mahlst ja die ganze Zeit!“ meine ich.
„Ja, ich habe viele Sorgen.“ sagt sie beschäftigt. “ Ich muss sie ganz fein zermahlen, Wort für Wort.“
„Warum machst du dir Sorgen?“ frage ich.
„Ich mache mir Sorgen um die Kriege in der Welt, um den Hunger in der Welt, um die schwindenden Ressourcen. Um all die unschuldigen Tiere.
Um die Enge, die sich in den Herzen der Menschen verdichtet.“
„He, halt doch mal an!“ sage ich und merke, dass mein drückender Bauch nun nicht mehr relevant ist.
„Warum sollte ich?“
„Halt einfach mal an und schau dich um!“
Die Sorge hält nun inne, doch erstaunt über der Heftigkeit meiner Aufforderung.
Ihr Gesicht ist eng, die Augenbrauen zusammen gekniffen. Sie schaut mich unsicher an.
„Ja, was soll ich denn schauen?“ fragt sie.
„Schau dich um. Schau um dich herum.“
„Da ist nichts.“ sie schaut wie ins Leere.
„Ja, sakra nochmal! Schau halt weiter!“
Da erblickt sie das Fenster. Sie schaut zum Fenster hinaus. Irgendwie muss sie weit hinaus schauen, so scheint mir.
Vielleicht ab der vielen engen Sorgen, denke ich.
„Da ist ja Himmel –  und ein Wald weit draussen.“
„Ja.“ sage ich.“ Und was siehst du noch?“
„Ich sehe schöne Bäume, diese dunkelgrünnen Tannen. Ich erinnere mich an ihren Geruch nach dem Harz. Ich liebe den geruch von Harz.“
„Ja!“ ich werde ganz begeistert.“ Hilf mir beim Schauen der Welt! So wie sie ist, und nicht mehr und nicht weniger.
Hilfst du mir? Ich kann es auch noch nicht so gut.“

Die Sorge nickt. Ihre Gesichszüge erhellen sich. Langsam legt sie ihre Kaffeemühle beiseite und wir steigen in unsere Schuhe und gehen gemeinsam hinaus in die Welt und schauen staunend.

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